Liebe gute Cousine!
Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen deren
Beantwortung ich aber auf später hinausschieben
müß, denn ich sitze in einer solchen Unruhe daß
ich oft nicht weiß, wie ich einen ruhigen Augen-
blick erhaschen soll. Letzten Mittwoch kamen
wir denn gelücklich zum Umzuge in's andere
Haus, und da ich ziemlich alles vorgerichtet hatte,
so glaubten wir die Pfingsttagen recht gemüth-
lich genießen zu können in der Freude unsere
kleine Kranke täglich in der Besserung voran-
schreiten zu sehen. Die bleibt noch sehr schwach,
erträg die Uebersiedlung aber gottlob sehr gut.
Ja ich möchte sagen, sie hätte ihr wohl gethan.
Doppelt froh bin ich daß sie zur Ausführung
kam, denn leider liegt nun seit eben dem
Tage eine zweite Kranke da und zwar, Ihre
liebe Anna. Aber ich kann Sie gottlob beru-
higen und Ihnen die Versicherung geben
daß der Artzt nichts gefährliches in Ihrem
Unwohlsein erkennt. Sie legte sich mit heftigem
Kopfweh hie und hatte am andern Tage hef-
tiges Fieber. Die Nächte schläft sie aber sehr
gut, was doch eine Beruhigung geben muß,
denn beim Anmarsche einer heftigen Krank-
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heit fehlt dieser ja zuerst. Ich habe sie dem
Artzte sehr an's Herz gelegt und ihn dringend
gebeten mir doch ja zu sagen, wenn er Gefahr
sähe, weil ich mich verpflichtet fühlte, es Ihnen
zu sagen. Wiederholt versichert er mir, in
Anna's Zustand keine zu erblicken. Sie ist
sehr nervös und schreibe ich es hauptsächlich dem
zu, daß sie sich in den letzten Wochen nicht
genug Bewegung in offener Luft gab. Sie
geht so ungerne allein aus, daß es immer
Ueberredung kostet, sie dazu zu bewegen.
Ich brauche Ihnen wohl nicht die Versicherung
zu geben, daß es ihr an nichts fehlen wird. Eins
der Mädchen schläft des Nachts bei Ihr, über Tag
theile ich meine Zeit zwischen beiden Patienten.
Ich hoffe Ihnen in wenigen Tagen bessere Nachrichten
geben zu können. Sollte die Krankheit aber eine
andere Wendung nehmen, dann schreibe ich Ihnen
augenblicklich, denn ich kann mir Ihre Sorge
vorstellen.
Anna bet mich Ihnen zu schreiben,
weil es ihr so leid that, dem Vater nicht
geschrieben zu haben, sie können ihm die
Ursache sagen.
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Ich fange auch jetzt an recht zu fühlen, daß ich
so manche sorgenvolle Stunde durchmachte, und
fühle dieses um so mehr, wo ich eine zweite Kranke
um mich habe. Nur der gute Gott wolle auch
dieses bald zum besten wenden. Er schickt uns
ja nicht mehr als wir ertragen können.
Meine besten Grüße an die lieben Ihrigen
mit dem Wunsche eines frohen Pfingstfestes.
Ihre Sie hochschatzende Cousine
Marie Kreglinger
Amsterdam dem 18ten Mei 1861
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betrachten Sie keine Nachrichten doch ja
als recht gute.
Andreas Hartelijk dank voor je vele en super geleverde vertalingen.
Jo Strijbosch
zei op zaterdag 9 november 2024 - 19:29